Hans Magnus Enzensbergers Essay Aussichten auf den Bürgerkrieg ist eines der ersten literarischen Zeugnisse, in dem ein breit angelegter, global ausgerichteter Versuch unternommen wird, sich mit der neuen geopolitischen und ideologischen Weltkonstellation auseinanderzusetzen, die sich in den ersten Jahren nach dem Mauerfall durch eine Gewalteskalation auszeichnete. In Enzensbergers makroperspektivischer Zeitdiagnose, die in dem globalen Chaos der Gewalttätigkeit eine intellektuelle Orientierung anzubieten trachtet, kommt den jugoslawischen Kriegen, genauer gesagt, ihrem nahen Schauplatz, eine besondere Rolle zu. Den Drehpunkt der textuellen Analyse im vorliegenden Artikel bildet die Denkfigur der Nähe, die die asymetrische Dynamik in der Wahrnehmung dieses fremden Krieges demonstriert, so daß Nähe und Ferne nicht in einem direkt proportionalen Verhältnis mit der geographischen Entfernung stehen, sondern den Schauplatz der kriegerischen Ereignisse auf dem Balkan von Anfang an diskursiv aus der diskreten Lokalität in der südöstlichen europäischen Ecke in andere räumliche und gedankliche Konstellationen hineingebracht wird.